Aber fangen wir morgens an....
Alles versagt jetzt - mein Frühstück sieht daher schrecklich aus: nasse Semmel mit dem letzten Rest Käse, 1 Tomate, 1 Dose Cola. Immerhin noch eine Banane. Im Bus konnte ich gut schlafen, auch wenn Bus und Haus ebenso im Messie-Zustand sind wie das Grundstück. Mein diesmaliger Joghurtversuch ist Käse geworden.
Es ist schon spät (10 Uhr), bis ich auf der Strecke bin; aber schließlich ist es gestern ja auch 2 Uhr nachts geworden bis ich ins Bett gekommen bin. Im Bus war es abends noch richtig schwül, aber nachts ist es doch empfindlich kalt geworden. Hänger dran und los. Überempfindlich achte ich auf Hägar und alles was er so tut und von sich gibt. Rieche ich da verbrannten Gummi? Klappert da was? Hatte er nicht gerade eine Zugunterbrechung? Ganz vorsichtig gehe ich mit dem Gas um. Langsam warm fahren. Nicht über 70, damit der Riemen nicht zu sehr beansprucht wird. Wenn der jetzt wieder reißt, dann habe ich weder Werkzeug noch Ersatzteil - und die Gegend wird ja immer einsamer. Keine guten Aussichten. Der nächste Fachhändler soll in Vilhelmina sein, ca.3 h entfernt. Und Werkzeug? Weit und breit gibt es hier keinen Werkzeugladen oder Heimwerkermarkt. Erst wenn man dringend etwas braucht merkt man, was hier alles fehlt und anders ist als in Deutschland. Und ich dachte: kann ja nix passieren, ich bin in einem zivilisierten Land. Auf diese Weise lerne ich plötzlich eine ganze Menge mehr von Land, Leuten, Sitten und Gepflogenheiten kennen.
In der nächsten größeren Stadt frage ich mich durch. Es gibt nur ein kleines Haus, in dem einzelne Keilriemen, Anhängerleuchten, Hydraulikschläuche und 3 Steckschlüssel verkauft werden. Davon kann ich rein gar nichts gebrauchen.
In der nächsten Stadt versuche ich es beim eleganten BMW-Händler. Der schickt mich zu seiner Werkstatt, die 2 km weiter im Industriegebiet liegt. Keine Chance. Aber ich soll es nebenan in der Hydraulikwerkstatt versuchen. Die 2 Monteure in der riesigen und vollgestopften Halle sprechen überhaupt kein Englisch. Aber wenn man es mit meinem lausigen Norwegisch nicht so genau nimmt, dann können wir uns doch ein wenig verständigen. Und - die haben tatsächlich Ratschensets. Riesige! Und winzige. Dazwischen nur einzelne teure Teile. Also nehme ich das winzige - sollte für die Schrauben genügen, die beim Abriss des Antriebsriemens fällig sind. Kartenzahlung? Geht nur bei der Chefin, die gerade Mittagspause hat. In 1 Stunde...? Ich muss wohl einen sehr entsetzten Gesichtsausdruck gezeigt haben, denn die Jungs rufen die Chefin an und die ist innerhalb weniger Minuten da. Trotzdem sehr freundlich! Und sie verkauft mir das Ratschenset ohen Mehrwertsteuer! Ok - etwas beruhigter bin ich jetzt. Nur einen Ersatzriemen brauche ich noch.
In Vilhelmina liegt mein Navi mit seiner Treffgenauigkeit 500 m daneben. Und von den Leuten werde ich 3 mal in die falschen Richtungen geschickt. Dann aber Treffer! Ich fahre vor und schon steht ein netter junger Mann neben mir, der perfekt englisch spricht- was für ein Service! Hägar gibt unbekannte Geräusche von sich, ich lasse den jungen Mann ein paar Meter fahren - "nichts Ungewöhnliches" stellt er fest. Er glaubt leider, keinen passenden Riemen mehr vorrätig zu haben, verschwindet in der Werkstatt und kommt mit einem Riemen zurück. "Der ist schon gebraucht" (sieht man ihm aber nicht an) "den kannst Du umsonst haben". Wow! Überhaupt ist es äußerst ungewöhnlich, dass so ein Antriebsriemen reißt, was wohl die Ursache war? Auf jeden Fall hat er mir damit viel Zuversicht auf den weiteren Weg gegeben. Und Stoff zum Nachdenken.
So entwickle ich folgende Theorie: direkt über dem Luftauslasskanal (Kunststoff) des Antriebsgehäuses liegt der Auspuff. Der ist mit Alublechen gegen die Hitzeentwicklung abgeschirmt. Diese Bleche sind üblicherweise angeschraubt, aber hier fehlen schon wieder 2 Schrauben. Ich vermute, die haben sich gelöst, sind heiß auf den Kunststoff gefallen und haben sich durchgeschmolzen. Dann sind sie irgendwann im Antriebsgehäuse gelandet und "unter die Räder" (oder in den Zahnriemen) gekommen. Ursache Nr. 1. In der Werkstatt in Sveg haben die Monteure zwar alles schön sauber gemacht, aber ich habe nicht gesehen, dass sie mit Pressluft alles ausgeblasen hätten. Vermutlich ist noch ein kleiner Rest von den ersten Zahnriementrümmern drin geblieben und hat damit den Schaden am zweiten Riemen verursacht. Kettenreaktion (oder Riemenreaktion?)!
Ich habe gestern alles penibel sauber gemacht. Selbst als ich nichts mehr finden konnte, habe ich noch lange mit Pressluft in alle Ecken geblasen und geheime Verstecke entdeckt. Als ich mir sicher war, dass jetzt alles picobello sauber ist, bin ich nochmal überall mit Pressluft nachgegangen und habe dabei alle Scheiben durchgedreht - prompt kamen noch 1 1/2 Zähne zum Vorschein! Aber bis Vilhelmina bin ich ja schon heil gekommen! Und jetzt bin ich zuversichtlich. Zumindest beruhigt, was meine Fähigkeiten zur Selbsthilfe im Fall der Fälle angeht.

Mein Mut steigt langsam, die Vorsicht bleibt aber - der Stachel sitzt tief. Wir zockeln ein Stück gemütlicher als bisher - im Schnitt 15 km/h langsamer. Gestartet bin ich noch mit leichter Bekleidung, ohne Jackenfutter und nur im T-shirt. Gegen Mittag tauchen immer wieder Windhosen auf, die ekelhaften Staub aufwirbeln. Das zwingt mich, mein Halstuch und die Brille anzuziehen. Bis zum nächsten Tankstopp hat der Wind ordentlich zugenommen und hat die Hitze verdrängt. Weiße Wölkchen stehen am Himmel, es ist Zeit das Futter in die Jacke zu knöpfen (18 Grad). Jetzt sind wir eher bei meinen bevorzugten Reisetemperaturen angekommen. Ja, und ab und zu verirrt sich sogar ein Regentröpfchen zu mir. In Arvidsjaur "regnet" es sogar: leichter Schnürlregen, die Straße ist nass. Aber als ich fertig getankt habe, ist der Spuck auch schon wieder vorbei.
Mit unserem Cw-freundlichen Schneeräumschild haben wir die beste Angriffsfläche für die Böen. Ja, wir haben einen "Windfänger" angebaut! Immer wieder werfen uns die Böen aus der Bahn, Hägar lehnt sich gegen den Wind und ich muss seinen Lenker ordentlich festhalten und immer wieder korrigieren. Die Schneefelder nehmen zu, im Straßengraben liegen immer häufiger auch Eisreste. Es wird bergiger; auf einem großen See sehe ich am anderen Ufer etwas Weißes auf dem Wasser.
Was das wohl ist? Von weiter oben wird es dann klar: hier ist der See noch gefroren. Gestern hat mir Ragnar im Abschleppwagen ja erzählt, daß bis vor 14 Tagen hier noch jede Menge Schnee lag. Und dann kam die Hitze und hat alles geschmolzen. Das sieht man auch ganz klar am Wasserstand: in vielen Wiesen und Wäldern stehen große Pfützen, die Seen und Flüsse sind mehr als randvoll. Einige Hütten und Häuser stehen direkt am oder schon im Wasser.
Der Verkehr nimmt allmählich immer mehr ab, dafür nehmen meine Rentiersichtungen deutlich zu. Jede Menge Kadaver liege außerdem erstaunlicherweise am Straßenrand. Ob die bisher unterm Schnee versteckt waren? Und nun schlendert sogar eine Elchdame ganz gemütlich vor mir über die Straße! Aber ein Bild darf ich natürlich nicht machen...
In Arvidsjaur kaufe ich noch etwas für Abendessen und Frühstück ein und dann werde ich mir einen Schlafplatz suchen. Ein Bett kann ich mir hier nicht leisten! Schon kurz danach finde ich einen großen Schotterplatz mit Grünstreifen direkt am Flussufer. 200 m weiter steht ein kleines Blockhäuschen, das ich besichtigen muss: es ist ein "Doppelklo". Welcher Luxus!
Während ich jetzt den Blog schreibe, wird es kalt und kälter (4 Grad?). Es soll sogar frostig werden heute Nacht. Die Nase fühlt sich schon so an - also schlüpfe ich jetzt schnell in den warmen Schlafsack. Gute Nacht!
Die Strecke
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