Samstag, 26. Mai 2018

Im Untergrund

Ich glaube, mein Nachbar Ragnar ist ähnlich gestrickt wie ich - der kann auch nicht stillsitzen und hat Hummeln im Hintern. Er will heute nach Harstad fahren (60 km), nur um einen Ball für seinen Hund zu kaufen, den er genauso gut (und wahrscheinlich billiger) zu Hause in Kiruna kaufen könnte. Aber Kompagnon Björn (Zimmermann) ist dieses Wochenende nicht da und da kann Ragnar nicht am/im Bootshaus werkeln. Also muss er spazieren fahren...aus lauter Verzweiflung hat er gestern Nacht schon den Rasen gemäht.

Für heut und morgen ist Regen angesagt. Es ist windig und wolkig und manchmal auch etwas feucht, aber "Regen" kann man das nicht nennen. Zumindest nicht hier. Vielleicht in der Sahara.
Was pick ich mir wohl heute an Arbeit heraus?  Fangen wir mal mit was für drinnen an. Der Heizstrahler im Bad hängt ungünstig, wird also neu positioniert. Die Chemietoilette fliegt jetzt raus, schließlich funktioniert die Verbrennungstechnik mittlerweile ganz gut. Dafür muss ich  nun einen Halter für Toilettenpapier und -tüten zimmern. Dann geht's ans Küchenabwasser, die Leitung war im Winter eingefroren. Also wird sie jetzt kürzer und steiler verlegt. Hoffentlich fließt das Wasser dort auch ab, wo ich es in den Boden leite. Apropos "Wasser abfließen" - mein Wasserfall ist mittlerweile versiegt und auch Hägar hat trockene Füße. Alle weiteren nassen Stellen unter dem Haus habe ich ja bereits aufgeräumt. Da kommt mir eine Idee: ich könnte von den alten Paletten welche auf die feuchte Erde stellen und darauf meine Holzreste (zum Verbrennen bzw. "Brettle suchen") deponieren. Ich habe einen großen Haufen davon unterm Haus liegen, genau dort, wo das meiste Wasser läuft und wo wir vermutlich die Fundamente ausgraben müssen. Also, weg muss es ohnehin. So räume ich hin und her unterm Haus, in gebückter Haltung und auf losem, steilem Untergrund. Der Rücken schmerzt, aber mein Ehrgeiz treibt mich an. Ich will das heute ordentlich haben! Nachmittags gönne ich mir sogar ein kleines Päuschen - auf meiner Lieblingsbank sitze ich und schaue auf's Meer und die heute großen Wellen. 5 Minuten kann ich das! Dann werde ich wieder unruhig. Liegt sicher am kalten Wind, ich muss mich bewegen.
Ich habe das Gefühl, sehr viel erledigt zu haben, aber eigentlich sieht man gar nichts (wenn man nicht weiß, wie es vorher aussah). Solche Arbeiten mag ich nicht gerne: viel tun, kein gescheites Ergebnis. Trotzdem bin ich zufrieden.
Mein Abendessen ist die zweite Hälfte des Räucherfisches von gestern. ...wovon sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt...

Bei "Horizons Unlimited", einer Facebookgruppe für weltreisende Motorradfahrer, gibt es eine Umfrage, wo auf der Welt es am schönsten ist, bzw. wo man sich am besten zur Ruhe setzt. Südamerika wird häufig genannt. Auch Thailand / Bali, die Ecke. Norwegen nennt niemand! Eigentlich freut mich das, denn dann laufen mir hier nicht die ganzen Rentner über den Weg. Und es zeigt mir, daß ich mal wieder aus dem Rahmen falle.
Der Tag geht freundlicher zu Ende als er begonnen hat. Sonne und Wolken spielen miteinander, angetrieben von dem dauerhaft heftig böigen Wind.

Freitag, 25. Mai 2018

Räucherei

Für heute ist Regen angesagt. Das Meer kräuselt sich auch schon wieder und eine stramme Brise treibt dunkle Wolken in's Landesinnere. Also, mach hinne, komm in die Strümpfe! Solange es noch nicht regnet möchte ich aus meiner Hühnerleiter eine richtige Treppe machen. Das ist eine ganze Menge Arbeit und zieht sich hin. Die Werkbank seht diesmal auf der Ostseite des Hauses, im Windschatten. Leider ist da auch Sonnenschatten, daher ziehe ich mich norwegengerecht an: lange Unterbux und Mütze (die ich sonst äußerst ungern aufsetze).
Die Auswahl bewährt sich. Stück für Stück verwandelt sich die Rampe. Auf halber Höhe stelle ich fest, dass die Richtung aus dem Ruder läuft, also korrigiere ich bei den nächsten 2 Stufen leicht. Hab halt nen Knick in der Optik - aber wenn man's nicht weiß, merkt man's vielleicht gar nicht? Ich muss viel sägen - eigentlich ist das ja mein großes Hobby: sägen! Aber hier mit der Akku-Handkreissäge ist das echt mühsam und unkomfortabel. Ich vermisse meine große Tisch-Kreis- und Kappsäge! Wenigstens habe ich damit eine gute Ausrede, wenn nicht alles so perfekt wird.

Am frühen Nachmittag - die letzte Stufe ist soeben montiert - trudeln die Schweden ein. Ragnars Daumen geht sofort hoch, als er mein Werk sieht. Als er kurz danach mit dem Hund spazieren geht, kommt Eva herüber und weiht gleich meine "alte (=gammel)-Damen-Treppe" (breite Tritte und niedrige Stufen) ein. Ein Hindernis weniger.  Wir ratschen ein wenig - ich auf norwegisch/englisch, Eva auf englisch/schwedisch. Sie lobt meine "Tüchtigkeit" (danke :-)), aber wir kennen das Wort beide nicht auf englisch. Hier funktioniert die Abkürzung schwedisch-deutsch ganz gut. Wir beschließen, dieses Wort gibt es im englischen nicht, wohl weil die englisch sprechende Bevölkerung eben nicht tüchtig ist.







Zum Abendessen will ich mir den Seelachs räuchern. Ich hab das noch nie gemacht, nur den Räucherofen aus Vaters Nachlass, den hab ich vorsichtshalber hierher mitgenommen. Sägemehl ist dabei, sehr gut. Ohne Kopf und ohne Schwanz passt der Fisch grade so hinein. Alles nach Vorschrift gefüllt und angezündet - es geht erstaunlich einfach und schnell! Die größere Herausforderung wird sein, die ganze fettige Sauerei hinterher wieder sauber zu bekommen. Und - es schmeckt! Mal ein ganz anderer Geschmack. Guten Appetit.


Donnerstag, 24. Mai 2018

Ein Ausflug

Der Kopf wälzt irgendwelche Probleme, die ich eigentlich gar nicht habe. Ich kann mich kaum zwingen, aufzuwachen und bin dann ziemlich neben der Spur. Der halbe Vormittag ist schon vorbei. Vielleicht sollte ich zuerst mal wieder fischen (=Köder verlieren) gehen? Das Meer liegt schön glatt da, vielleicht beißen da die Fische besser.
Mein Fischzug ist leider nicht erfolgreich, kein einziger Biss. Aber auch kein einziger Köderverlust. Immerhin schon etwas. Eine schöne leichte Brise um die Nase und ein paar Fischerboote beobachtet. Mit leeren Händen gehe ich dennoch nicht nach Hause, denn bei Evenestangen stehen schon 2 junge Männer, die Ihr Glück versuchen. Sie haben zu viele Fische und schenken mir daher einen schönen Seelaachs - da sag ich nicht nein.

Hägar, bist Du betrunken?
Von einem Rad auf das andere schwankt er die Straße entlang - aber nein, es liegt nicht an Hägar. Die Straße hat so viele Löcher und Bodenwellen, da kann man leicht ins Schleudern kommen. Schön gemütlich tuckern wir weiter und weil es gerade trocken (und bewölkt) ist, habe ich Lust auf einen kleinen Ausflug. Mal sehen, wie weit die Straße nach Tårstad überhaupt geht. Es gibt 2 kleine Häfen bis zum Ende der Straße in Skar. Natürlich schauen die Leute, wer sich hierher verirrt hat. Es gibt eine große Schafweide mit ganz vielen Lämmchen. Und schottische Hochlandrinder; die gefallen mir sehr gut, weil sie so wild aussehen. Aber sie sind wohl schüchtern, ich darf sie nicht fotografieren, sie drehen mir ihr Hinterteil zu. Dann nehmen wir die Schotterstraße nach Breistrand unter die Räder.
Der Weg führt auf der anderen Seite des Flugplatzes nach Norden durch Waldgebiet. Sehr gemütlich schauen wir uns die Bächlein, die großen und kleineren Seen und die Moore an. Verbuschte kleine Krüppelbirken verdecken oft die freie Sicht - entlang der Straße wurden viele von ihnen abgeholzt und warten nun auch die Weiterverarbeitung zu Brennholz. Wenn ich Elch wäre, würde ich hier sehr gerne wohnen. Das tun die Viecher auch, aber zeigen mögen sie sich nicht. Vermutlich knattert Hägar einfach zu laut. Oder sie halten gerade Mittagsschlaf.

Wieder zu Hause wird zuerst der Fisch versorgt und dann mache ich mich über den Rest des Balkongeländers her. Da ist es schon fast 5 Uhr nachmittags - ich bin ganz schön aus dem Trott gekommen! Macht nix, nachts ist es ja auch hell... Gegen 19 Uhr ist der Käfig fertig, zumindest soweit das Material gereicht hat. Eine gute Ausrede, oder? Immerhin fehlen eigentlich nur noch 2 Leisten und ein kleiner Abschnitt, den ich aber am liebsten gar nicht weiter vergittern will. Ich tu einfach so, als ob ich fertig bin - wird schon keiner was dagegen haben.
Ich habe da so eine Idee, wie ich aus der Hühnerleiter vorerst eine richtige Treppe machen könnte. Weil ich grad so schön im flow bin, fange ich mit der ersten Stufe einfach mal an. Der Anfang ist immer das Schwierigste, wie beim Reisen auch. Ich bin gar nicht unzufrieden mit meiner ersten Stufe, aber für heute reicht's. Ich freu mich auf ein Abendessen - der Braten wandert jetzt in die Röhre. Bis er fertig ist, könnte ich ja noch etwas norwegisch lernen? Das tu ich äußerst ungern, am liebsten lerne ich by doing. Aber alles kann man auf diese Weise leider nicht lernen.

Beim Abendessen beobachte ich die herrlichen Licht- und Wolkenspiele auf den gegenüberliegenden Bergen. Danach setze ich mich, in einen warmen Schlafsack gewickelt, noch ein wenig auf die Veranda hinaus, lausche dem Plätschern der Wellen und den Stimmen der Leute, die in der Parkbucht bei der Feuerstelle vergeblich versuchen, ihren Jeep zum anspringen zu bewegen.




Mittwoch, 23. Mai 2018

So ein Tag, so wunderschön wie heute....

Was ich mir einmal in den Kopf gesetzt habe...ich wollte gestern angeln gehen? Ich BIN gestern angeln gegangen. Spät am Abend (nach 11 Uhr) ist die Sonne dann doch noch hervorgekrochen und der Wind hat abgeflaut. Also Hägar - wir gehen fischen. Auf der Landzunge stehen 2 Wohnmobile, eines normal, das andere ganz vorn, mitten auf dem Weg. Am schönsten Platz. Aber so, daß niemand anderes die schöne Aussicht mehr genießen kann - Deutsche natürlich. Hm.
Es ist mir  nicht vergönnt, etwas zu fangen, aber trotzdem genieße ich den "warmen" Wind, es hat ca. 6 Grad.

Morgens habe ich mittlerweile ziemlich große Anlaufzeiten - man ist halt keine 17 mehr. Raus mag ich noch nicht, also werd ich wohl mal den Staubsauger ausführen. Eigentlich ist putzen total sinnlos, denn die neue Schönheit ist so vergänglich. Aber ich komme dabei in die Gänge. Und auch raus - beim ausleeren des Staubbehälters. Die Temperaturen haben sich auf 12 Grad verdoppelt! Man könnte ja was schreinern? Zum Beispiel einen Angelrutenhalter, damit die Dinger aufgehoben und griffbereit sind. Das ist was Schönes, Kleines, damit fang ich an. Und dann könnte ich ja noch die total verrostete gußeiserne Pfanne weiter bearbeiten? Die gefällt mir, die paßt so gut zur Hütte. Also sitze ich in der Sonne auf einer provisorisch errichteten Werkbank und schleife. Mit Aku-Bohrmaschine und Drahtbürste. Ich muss kräftig drücken und die Maschine gut festhalten; jetzt weiß ich auch, wieso mir die Daumen schon so schmerzen. Der Rost bildet feinsten Staub, der sich überall hineinverkriecht. Es ist zwar eine dreckige aber doch schöne Arbeit, die Sonne bringt mich fast zum Schwitzen und am Ende sehe ich den Erfolg. So einen Arbeitsplatz wünscht man sich immer! Die Pfanne wartet jetzt nur noch auf den passenden Fisch.

So geht die Zeit dahin mit lauter "unwichtigen" aber auch schönen Sachen. An die wichtigen wie z. B. die Optimierung meiner Hühnerleiter oder des Küchenabwassers traue ich mich noch nicht ran. Irgendwie fehlt mir der Geistesblitz, wie ich die Dinge angehen soll. Lassen wir es noch ein wenig ruhen, reifen und gären....
Ein Hubschrauber knattert über den Fjord, zwei Frachter laufen nach Narvik ein. Es ist immer Zeit, einen Blick auf oder über den Fjord zu werfen. Ein tolles Wetter heute! Was mach ich also als nächstes? Oh ja, das Balkongeländer. Erstens ist das Vorschrift - ich schulde Olav die Fertigstellung und zweitens wird dann das Holz unterm Haus weniger. Ich fange einfach mal an, die Leisten auf die Terrasse zu schichten. Ein frischer Wind kommt auf und über Liland hängen schwarze Wolken. Also Gas geben. Oder auch nicht - das Wetter bleibt doch stabil: sonnig und windig. Schritt für Schritt wächst das Geländer und als ich Feierabend mache ist wenigstens die Südseite fertig. Streichen? Nö, das mache ich nicht. Eigentlich will ich das Geländer ja gar nicht haben. Ich hab auch schon eine grobe Idee, wie ich auf legale Weise darauf verzichten könnte. Aber dieser Gedanke muss auch noch reifen, da gibt es vorher andere wichtige Dinge zu erledigen.
Zum Beispiel angeln gehen! Die neu renovierte Pfanne wartet auf einen Fisch! Bei der Gelegenheit kann ich auch gleich noch ein wenig Wasser holen...dann könnte ich heute vielleicht sogar mal duschen? Mit dem fischen bin ich nicht so erfolgreich (nur mit dem Köder verlieren), dafür aber beim Wasser holen. Jardar bastelt heute auf dem Campingplatz. Ich dachte, er wäre noch im Urlaub. Ausnahmsweise sprechen wir norwegisch (Jardar kann so gut englisch), aber mein Gegenüber spricht so schnell, daß ich kaum was verstehe. Üben, üben, üben....
Wenn es keinen fisch gibt, dann müssen eben Kartoffeln und Eier in die Pfanne. eigentlich müsste sie ja stilecht auf dem gußeisernen Ofen beheizt werden, aber der ist heute aus. Also heißt es "alte Pfanne meets moderne Induktionsplatte" - funktioniert!

Duschen? Mit 5 l lauwarmem Wasser geht man sparsam um. Ich muss mich ziemlich tief beugen, damit mir die Wassertropfen aus der Campingbrause über den Kopf laufen. Duschen wird überbewertet.

Mit einem Auge bei der Pfanne, mit dem anderen über dem Wasser bemerke ich sonderbare Wellen. Es könnten ganz normale größere Wellen sein, aber es könnten auch die Rücken von Fischen sein. Meine Wale? Dafür sind sie zu nah am Ufer. Leider gibt auch das Fernglas keine bessere Auskunft. Aber es sind definitiv Fische - sie bewegen sich fjordeinwärts. Da war ich mit meiner Angel wohl wieder mal zur falschen Zeit am falschen Ort.

Dienstag, 22. Mai 2018

Bächle bauen - die Zweite

Den weiterhin verregneten und windig-kalten Vormittag verbringe ich "im Büro". Ja, ich habe eine Rechnung bekommen, die ich so nicht akzeptieren will. Also lasse ich mir erst einmal erklären, was das überhaupt ist (Müllgebühren), um dann in die Verhandlung einzusteigen. Das solle ich doch bitte schriftlich machen. Gesagt, getan; bin gespannt, ob jemand auf die Mail antwortet. Außerdem chatte ich mit der Steuerbehörde, um einiges über die Personennummer herauszufinden - es gibt zweierlei davon. Die für Ausländer wie mich, und eine "richtige" für Norweger. Leider kann ich mit der ausländischen keinen Handyvertrag abschließen oder mir Werkzeugmaschinen ausleihen. Dummerweise kann man mir dabei aber nicht helfen.
Gegen Mittag raffe ich mich dann doch auf, trotz Regen. Ich ziehe halt das ganze Regenzeug obendrüber und watschle dann wie eine Ente zu Hägar. Allerdings liegt das nicht nur an den Klamotten sondern vor allem an den schmerzenden Knochen im Geläuf; von der Hüfte bis zu kleinen Zeh tut mir alles weh. Bächle bauen sollte man vielleicht doch nur als Kind?

Ich nehm den Anhänger mit, weil ich auf dem Weg zum Reifenhändler am Müllcontainer und an meiner Wasserzapfstelle vorbeikomme. Obwohl die Reifenwerkstatt sehr versteckt ist, finde ich sie auf Anhieb, auch ohne Navi. Stina heißt die junge Angestellte im Büro. Sie ist aber wirklich keine Bürotussi - würde mich nicht wundern, wenn sie auch selbst Reifen wechselt. Mit etwas hin und her und telefonischer Unterstützung durch ihren Chef sind die Reifen dann bestellt, kommen Ende der Woche oder Anfang nächster Woche. Ist ok, auch wenn Hägars Vorderreifen schon ziemlich an Slicks erinnern. Ich frage das freundliche Mädchen nach dem Rema 1000, dem großen Supermarkt in Evenskjer? Ja, der wurde abgerissen, aber nur, um ihn neuer, größer und besser sortiert wieder aufzubauen. Gut. Einen Glaser? Nein, das kennt sie keinen. Laut Telefonbuch gibt es welche in Harstad. Eigentlich brauche ich vermutlich nur einen geschickten Handwerker hier vor Ort. Olav will mir für die Terrassentür eine neue Scheibe besorgen, aber einbauen soll ich sie selbst. Das kann ich doch nicht...? Wo wir schon mal im Gespräch sind erfahre ich einiges von Stina. Sie hat auch ein Quad, aber 20 km Entfernung damit zu fahren ist schon verrückt - sagt sie. Von Deutschland??!! Ja, ich spinne - grins. Stina fährt Dragster-Rennen mit alten umgebauten Luxusautos. Bestimmt auch ein lustiger Sport. Ihr Papa will mit ihr nach Deutschland fahren, um den ursprünglichen Besitzern zu zeigen, was aus ihren Autos geworden ist. Die entsetzten Gesichter möchte er dann gerne filmen für Youtube. Ha ha ha.

Auf dem Rückweg bekommt Hägar neuen Saft und ich gönne mir einen Käse-Speck-Hotdog an der Tanke. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen und die Sonne kommt langsam durch. Ich sollte unbedingt wieder angeln gehen. Am Campingplatz ist Viggo beschäftigt, er vergrößert den Platz etwas. Es wird eine sehr herzliche Begrüßung! Wir unterhalten uns eine ganze Weile und obwohl ich nur Bruchteile verstehe, sind wir der gleichen Meinung, was mit meiner Hütte zu tun ist. Fundamente ausbuddeln und tiefgründig erneuern. Man macht das nicht, eine Hütte zur Hälfte auf den Fels und zur anderen Hälfte
auf anderen Untergrund zu stellen, ist seine Aussage. Aber - jetzt ist es halt mal geschehen.

Zu Hause angekommen weiß ich gar nicht, was ich jetzt als erstes tun soll. Ich beginne bei den Fahrzeugen. Der Auslasskanal von Hägars Riementrieb ist ja geschmolzen und hat Löcher. Ich möchte eine vorläufige Reparatur machen, damit nicht wieder etwas hineinfällt. Ein Alublech wäre nicht schlecht - hab aber keins. Am Strand finde ich einen kleinen verrosteten Kühlschrank, von dem ein dünnes verzinktes Blech weghängt - das schnapp ich mir und stutze es zurecht. Jetzt merke ich erst, wie gut meine Werkstatt in Deutschland ausgerüstet ist, ein Griff und das passende Werkzeug ist da. Hier sieht's anders aus. Aber irgendwie klappt dann doch alles. Das Blechpflaster wird mit blauem Krepp-Klebeband fixiert - abenteuerlich. Der Zweck heiligt die Mittel.
Ich schaue mich um - die Unordnung unterm Haus muss eine andere werden. Es liegen eine Menge Dachpappe und Folien herum und werden vom Wasser um- oder durchspült. Ok, wozu hat man Paletten? Dan kann ich die ganzen Rollen gut drauf stapeln. Und wo ich schon mal wieder unterm Haus im Wasser stehen, versuche ich gleich, auch dieses zweite Rinnsal umzuleiten - diesmal Richtung Osten. Schon weider eine Schlammschlacht - ich seh aus wie ein Schwein. Ich hatte die Lederhose an - ob ich die jemals wieder sauber kriege?
Oh, der Briefkasten. Den hat Ragnar im Winter provisorisch befestigt, nachdem der Wind ihn verweht hatte. Jetzt ist der Untergrund weich, also kann ich einen Betonstein gut eingraben und darin Pfosten und Briefkasten fixieren. Hoffentlich hält es diesmal länger.
Kjetil taucht auf und rußt ein wenig mit seinem fetten alten Schlitten rum, nur so zum Spaß. Er provoziert gerne. Ich verstehe Spaß!

Es regnet mittlerweile wieder, ringsum ist es grau - angeln ade. Da ich ja jetzt wieder viel Wasser habe, traue ich mich an eine Wäsche. Inklusive der lehmigen Jeans von gestern. Ob das was wird? Mittlerweile bin ich so schlapp, daß mir das auswringen kaum noch gelingt und so hänge ich die Wäsche noch ziemlich feucht im Schlafboden auf. Dort ist es herrlich kuschelig warm. Ich bin wieder froh, daß ich mir die Wärmepumpe zugelegt habe. Ohne Mühe ist die Hütte immer angenehm warm.

Zum Abendessen gibt's doppelten Regenbogen an gekräuseltem Meer mit ein paar leichten Windböen. Das Sonderbare ist, dort wo der Regenbogen in's Meer taucht, gibt es gar keine Bugwelle...? Hier wird es nie langweilig!

Montag, 21. Mai 2018

Wasserspiele

Um 4 Uhr nachts werde ich wach und höre es plätschern. Es regnet nach wie vor, aber jetzt kommt vom Berg herunter mehr als ein Rinnsal. Es plätschert richtig. Eigentlich bin ich ja schon wach, aber ich leg mich nochmal hin und nach langem wachliegen schlafe ich dann bis kurz vor 10 Uhr! Keine Zeit oder Lust für Frühstück, wasserfest anziehen und raus! Bächle bauen. Das hab ich als Kind schon so gerne gemacht. Es gibt aber soooo viele Angriffspunkte hier - beginnen wir mit einem Versuch, Hägars Stall trocken zu legen. Ich versuche einen Abfluss zu graben, aber so richtig erfolgreich ist das nicht. Björn kommt vorbei, schaut sich alles an und wir fachsimpeln ein wenig. Man könnte z.B. die ganze Erde vor dem Haus wegräumen....ja, man könnte. Wenn man könnte. Als nächstes schaue ich nach der Ursache des vielen Wassers auf der Westseite, der kritischeren Seite. Hier sind mir die Fundamente aufgefroren und kaputt gegangen. Am Berg liegen die Felsplatten nach Osten geneigt und so fließt alles Grundwasser eher zur Hausmitte hin, läuft dort unters Haus und in Hägars Stall. Ich versuche, das Wasser weiter nach Westen, vom Haus weg zu bekommen. Dämme bauen, das Wasser mit Steinen umleiten, schon gleich ganz weit oben am Hang das Wasser in eine andere Richtung zu leiten? Ein bisschen macht das ja auch Spaß. Aber es ist kalt, noch regnet es (irgendwann hört es auf, aber ich bemerke das gar nicht) und ich bewege manchmal sehr große Steine. Wurzeln, Moos, Erde, kleinere Steine - alles dient mir zum Damm bauen. Von oben habe ich das ja schon ganz gut hinbekommen, das oberste Fundament steht schon mal nicht mehr mitten im Bach. Aber weiter unten, zwischen meinem Felsgebirge, biegt der Wasserlauf dann doch wieder unters Haus ab. Beim Hausbau und den vorausgehenden Erdarbeiten hat der große Bagger einen Wall an Felsen, Erde, Büschen und herausgerissenen Bäumen aufgetürmt, der das Wasser natürlich nicht durchlässt. So fliest es wieder Richtung Haus. Immerhin kann ich einen großen Teil des Wassers trotzdem dazu bewegen, in den angrenzenden Graben auf der Westseite abzufließen. Hägar hat aber immer noch nasse Füße.
Ich bin am Ende. Rücken und Hände schmerzen, meine Schuhe sind total durchnäßt, ich sehe schon Sternchen. Auf die Schuhe muss ich nun doch ein Loblied singen: Winter-Arbeitsstiefel von Audi. Total warm und trotz Stahlkappen saubequem! Und bislang immer wasserdicht, obwohl sie aus Leder sind. Nur, 5 Stunden im fließenden Wasser stehen halten sie wohl doch nicht aus.
Wenn ich nicht mehr kann, vielleicht kann dann Hägar noch helfen? Eine kleine Birke steht mitten in meinem neuen Bach und ihre Wurzeln behindern den Wasserlauf. Hägar - zeig mal Deine Seilwinde!
Das Bäumchen biegt sich, Hägar geht in die Knie, der Wurzelstock bewegt sich. Aber nicht genug. Es reicht nicht, um den Baum auszureißen; Hägar, laß gut sein. Feierabend!
Uiii, es ist schon 15 Uhr!? Ja, wenn die Mutter nicht ruft... Beim Bächle spielen und Wasserfall bauen kann man schon die Zeit vergessen.

Drinnen lege ich mich erst mal trocken, zieh mir was Warmes an, mümmle mich ein und lümmle auf dem Sofa rum. Erst spät am Abend kann ich mich nochmal aufraffen, etwas an die frische Luft gehen und meine schmerzenden Knochen etwas bewegen. Der Wind hat nachgelassen, nur gelegentlich nieselt es ein wenig. Ein Zweimaster tuckert vorbei. Von der Hausverpackung habe ich noch eine Menge dünner Sperrholzplatten rumliegen - die sind mittlerweile anscheinend weit geflogen. Die, die ich auf meinem Weg finde sammle ich ein und ziehe sie zur Feuerstelle unterhalb von Björnars Hütte direkt an den schönen flachen Felsen, die ins Meer hinein führen. Die Männer haben schon einen großen Haufen für das Sonnwendfeuer aufgerichtet. Nun sind meine Nachbarn aber alle weg, sie müssen morgen wieder arbeiten; am Wochenende kommen sie wieder.
Björn hat mir angeboten, sein Boot zu benutzen - nur aus Neugier schaue ich es mit aus der Nähe an. Es ist aus Glasfaser aber ich kann es nicht bewegen, es ist zu schwer. Da brauche ich sicher einige Einweisungen und Nachhilfen.
Mein Kampf gegen Wasser und Erdrutsch scheint zumindest kleine Erfolge zu zeigen, Hägars Reifen stehen nicht mehr knöcheltief im Wasser, es ist nur noch "feucht". Die Pfützen in den Drainagegräben sind kleiner geworden, aber mein neuer Wasserfall plätschert immer noch munter dahin. Auf dem Dach entdecke ich ein paar braune Stellen - ich hoffe, die werden irgendwann auch wieder grün werden. Ich werde auf jeden Fall nicht hochkrabbeln, um irgendetwas zu unternehmen.




Sonntag, 20. Mai 2018

Blowing in the wind

Ich glaube, nachts ist es besser als tags - Wind und Wetter waren in der Nacht super, tagsüber hat es gewindet und am Nachmittag dann gestürmt und geregnet. Am Vormittag habe ich die mitgebrachte Truhe versorgt, ein wenig an den verschiedenen Abflüssen optimiert und mich dann über den Rest der Cartonage hergemacht. Ich war allerdings zu faul, weiterhin ofenfertige Schnipsel zu produzieren, außerdem waren die meisten Kartons feucht oder nass. Also hab ich ein Feuer angezündet. richtig groß. Gequalmt hat es  - arme Nachbarn! Und weil's grad rumlag hab ich auch Styropor und anderes Kunststoff-Verpackungsmaterial reingeworfen - ist ganz schnell geschmolzen und hat fast gar nicht gestunken. Der Wind hat das Feuer nicht nur heftig angeheizt, sondern auch die verkokelten Papierreste gen Osten getrieben, Richtung Nachbarschaft. Aber bis dorthin sind sie wohl kaum geflogen....blowing in the wind. Nachmittags kam zum Glück der Regen und hat die Asche schön klebrig gemacht, jetzt muss ich keine Angst mehr vor Nachbarschaftsverschmutzung haben. Dafür sieht es jetzt unter meiner Hütte richtig ordentlich aus, das hat sogar Björn bemerkt.

Irgendetwas muss ich mir noch überlegen. Frank hat ja letztes Jahr eine Menge Kies und Steine in meine Auffahrt geworfen, aber der Untergrund ist extrem weich. Die letzten 2 m zwischen Straße und Auffahrt kann man zu Fuß kaum begehen, man versinkt sofort bis zum Knöchel, Grundlos....